03.02.2022

Das Team des Forschungsprojekts Return2 arbeitet an einer Recyclingstrategie, mit der sich Flugzeugbauteile additiv herstellen lassen. Dies steigert sowohl die Energie- als auch die Ressourceneffizienz. Ausgangsmaterial sind Titanspäne aus der Produktion selbst, die bisher im Abfall landeten.

Ob Warentransporte oder ferne Urlaubs- und Geschäftsreisen — in einer globalisierten Welt ist das Flugzeug nicht mehr wegzudenken. Zu den wichtigsten Werkstoffen zählt neben verschiedenen Verbundmaterialien Titan, dessen Herstellung sehr energieintensiv ist. Die großen Bauteile werden aus Vollmaterial spanend herausgearbeitet. Bis zu 90 Prozent des Materials geht dabei als Späne verloren.

Spanende Bearbeitung von Titan: Flugzeugbauteile werden meist aus Vollmaterial hergestellt. Bis zu 90 Prozent des Materials geht dabei als Späne verloren.
© IFW
Flugzeugbauteile werden aus Titan-Vollmaterial hergestellt. Bis zu 90 Prozent des Materials geht als Späne verloren.

Bereits im Forschungsprojekt Return untersuchte ein Team, wie sich die Titanspäne mit hohem Gütegrad energieeffizient recyceln lassen.

Recycling reduziert Energieverbrauch um mehr als 50 Prozent

In Return2 gehen die Forschenden nun einen Schritt weiter und betrachten eine additiv-subtraktive Prozesskette als neue Recyclingstrategie. Hierbei verarbeiten sie die Titanspäne zu Pulver, um daraus neue Bauteile additiv zu fertigen. Bei der Nachbearbeitung recyceln sie die dort anfallenden Späne erneut, sodass sich der Kreislauf nahezu schließt und im Produktionsprozess nur wenig Material ungenutzt bleibt.

Das Return2-Team erwartet, dass sich sowohl der Energieverbrauch als auch die CO2-Emissionen bei dieser Recyclingstrategie um bis zu 56 Prozent reduzieren. Ziel ist es, Titanbauteile zukünftig aus mindestens 70 Prozent recyceltem Material herzustellen. Damit würden allein in Deutschland etwa 87,7 Gigawattstunden (GWh) Energie und rund 42 Kilotonnen CO2 eingespart. Lässt sich die Recyclingstrategie auf andere Materialien übertragen, wären dort weitere Einsparpotenziale von rund 16 Gigawattstunden realisierbar. Zusammen ist dies so viel Energie wie 35.000 Zwei-Personen-Haushalte jährlich verbrauchen.

Was hochwertiges Titanrecycling schwierig macht

Wird Titan zerspant, kann sich die Werkstoffzusammensetzung verändern. Schuld daran sind Oxidation oder Kontamination mit Kohlenstoff, der etwa durch Schmierstoffe eingebracht wird. Dies beeinflusst die Eigenschaften des Titans negativ und macht zusätzliche Reinigungsschritte erforderlich. Die Titanspäne müssen homogenisiert und dazu mehrfach eingeschmolzen werden, was besonders energieintensiv ist. Ein weiteres Problem ist, dass Recyclingunternehmen oftmals nicht ausreichend über die Späne-Zusammensetzung informiert sind. Mit einer durchgehenden digitalen Prozessdatenerfassung will das Return2-Team diesem Problem begegnen.

Ressourcen sparen: Titanbauteile additiv herstellen

Um Titanspäne für die Luftfahrt zu recyceln, ist eine hohe Reinheit erforderlich. Für die weitere Bearbeitung müssen die Späne aufbereitet, gereinigt und kompaktiert werden.
© IFW
Um Titanspäne für die Luftfahrt zu recyceln, ist eine hohe Reinheit erforderlich. Für die weitere Bearbeitung müssen die Späne aufbereitet, gereinigt und kompaktiert werden.

Um Titanbauteile mit einer in der Luftfahrt geforderten Güte (Gütegrad „Grade 5“) herzustellen, ist die Reinheit des Titans entscheidend. Bisher konnten die anfallenden Titanspäne nur weniger anspruchsvollen Prozessketten zugeführt werden. Das Vorgängerprojekt Return hat bereits erste Lösungen entwickelt, mit denen sich die Späne aufbereiten, reinigen, kompaktieren und wieder in Titan umwandeln lassen, das für die Luftfahrt geeignet ist.

Als vielversprechend gelten hierfür auch additive Fertigungsmethoden wie das selektive Laserschmelzen (engl.: Selective Laser Melting, SLM). Wenn sich die Titanspäne zukünftig direkt zu Pulver verarbeiten und die Pulverreste in den Kreislauf einbringen lassen, steigt die Energieeffizienz deutlich. Das ist nun Thema in Return2.

Was ist selektives Laserschmelzen?

Unter selektivem Laserschmelzen oder englisch selective laser melting (SLM) ist eine Art der additiven Fertigung zu verstehen, bei der das Ausgangsmaterial in Pulverform vorliegt. Mittels eines Laserstrahls wird das Pulver an definierten Stellen erhitzt bis es schmilzt. Wird der Laserstrahl entfernt, erkaltet und erstarrt das Material. Nach Auftragen einer weiteren Pulverschicht beginnt der Prozess erneut. Auf diese Weise entsteht ein Bauteil. 

Mit Prozessüberwachung entsprechende Produktqualität gewährleisten

In Return2 sammelt eine prozessnahe Überwachung fortlaufend Prozessparameter zur Spanqualität. Dazu gehören auch Informationen über Kühlschmierstoffanhaftungen (KSS), um im nächsten Schritt geeignete Reinigungsprozesse auswählen zu können. Nur so lässt sich die erforderliche Spanreinheit gewährleisten.

Anschließend werden die gereinigten Späne zu kompakten Briketts gepresst und je nach Verfahren noch zu Stabelektroden, also Titanstangen, verdichtet. Dies geschieht mithilfe des sogenannten heißisostatischen Pressens — ein Verfahren, welches normalerweise dazu dient, pulvermetallurgische Stoffe energiearm zu verfestigen.

Für die nachfolgende Herstellung des Pulvers arbeiten die Forschenden an zwei Pulververdüsungsverfahren: Der Plasma Melting Induction Guiding Gas Atomization (PIGA), welche ein Schmelzbad aus den Briketts nutzt, und der Electrode Induction Melting Gas Atomization (EIGA), bei der die Elektrodenstangen vorgefertigt werden müssen.

Zudem forscht das Return2-Team an einer möglichst energieeffizienten und ressourcenschonenden Fertigungsmethode und Nachbearbeitung. So sollen Pulverreste und Späne etwa durch Minimalmengenschmierung oder Trockenbearbeitung möglichst wenig verunreinigt werden. Abschließend wollen die Forschenden die Herstellungsprozesse in Bezug auf Kosten, Produktqualität sowie Energiebilanz miteinander vergleichen.

In Return2 kommt ein breites Konsortium aus Forschung, Produktion und Anwendung zusammen: das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover, das Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung Geesthacht, die Unternehmen CRONIMET Ferroleg, TLS Technik und DMG MORI Additive sowie als assoziierter Projektpartner Aircraft Philipp. (ln)

Titan als Werkstoff im Flugzeugbau

Titan ist ein sogenannter Hochleistungswerkstoff und wird aus Titanoxid, auch bekannt als das Mineral Rutil, gewonnen. Aufgrund des vorteilhaften Verhältnisses von geringem Gewicht bei hoher Festigkeit gilt Titan insbesondere im Flugzeugbau als wichtiger Rohstoff. Sein Anteil ist dort in den letzten Jahren auf bis zu 14 Prozent gestiegen, während der Anteil an Aluminium sinkt. Weltweit nimmt der Titanbedarf auch für andere Anwendungen zu – beispielsweise Verdichterschaufeln bei Gas- und Dampfturbinen oder Anwendungen in der Medizintechnik wie Endoprothesen, die besonders korrosionsstabil sein müssen. Die deutsche Rohstoffagentur erwartet daher, dass die Abbaurate von Rutil steigt.

Return2: Closed Loop in der additiv-subtraktiven Fertigung von Titanbauteilen

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