E-Fuels könnten ein weiteres Puzzleteil für eine erfolgreiche Energiewende sein. Dimethylether ist ein Treibstoff mit hoher Energiedichte, zudem bindet er CO2. Das Projekt ALIGN-CCUS hat mit einer Demonstrationsanlage grundlegende Daten zu dessen Effizienz und Ökobilanz erstellt.

Das Wichtigste in Kürze:

  • In einer Demonstrationsanlage im nordrhein-westfälischen Bergheim wird zum ersten Mal die komplette Prozesskette zur Produktion von Dimethylether (DME) in realer Umgebung umgesetzt — hier an einem Kohlekraftwerk
  • DME wird aus abgetrenntem CO2 und nachhaltig produziertem Wasserstoff produziert
  • Die Projektpartner haben die einzelnen Schritte optimiert und aufeinander angepasst: CO2-Wäsche, Elektrolyse, DME-Synthese
  • Der hier produzierte DME kann sektorenübergreifend als Treib- und Rohstoff sowie Energiespeicher genutzt werden
  • Zugrundeliegende CO2-Wäsche läuft bereits 100.000 Betriebsstunden (Stand Mai 2022)
  • Positive Ökobilanz zeigt, dass sich Recycling von Kohlenstoff für das Klima lohnt
  • Folgeprojekt nutzt Dimethylether für die Synthese nachhaltiger Flugzeugtreibstoffe

Die Nutzungsmöglichkeiten synthetischer Kraftstoffe — auch E-Fuels genannt — im Strom- und Transportsektor aufzuzeigen, war eines der zentralen Ziele der deutschen Projektpartner von ALIGN-CCUS. Hierfür haben sie erstmals in einer Demonstrationsanlage in realer Kraftwerksumgebung den Dieselersatztreibstoff Dimethylether (DME) hergestellt. Das dafür benötigte CO2 wird aus dem Rauchgas eines Kohlekraftwerks abgetrennt. Der benötigte Wasserstoff stammt aus einer Elektrolyse, die mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben wird. Ein umgerüsteter LkW-Dieselmotor dient dazu, in einem Notstromaggregat zu demonstrieren, das aus dem DME Strom erzeugt werden kann. Zusammengefasst beinhaltet die Anlage alle Bausteine einer Power-to-X-to-Power-Kette. Die hier erhaltenen Realdaten sollen dabei helfen, das wirtschaftliche Potenzial entsprechender Verfahren zu berechnen.

Erstmals gesamter Umwandlungsprozess in realer Umgebung

Ein Schema zeigt die einzelnen Syntheseschritte von Wasserstoff und CO2 bis hin zum Dimethylether.
© RWE Power
Schema des demonstrierten Power-to-DME-to-Power-Prozesses in ALIGN-CCUS.

Das europäische Projekt mit 30 Partnern aus Industrie, Forschungseinrichtungen und Universitäten aus insgesamt fünf Ländern widmete sich unterschiedlichen Bereichen rund um das Abtrennen, Nutzen und Speichern von Kohlendioxid, kurz CCUS (Carbon Capture, Utilization and Storage). Ihr gemeinsames Ziel war es, CO2-arme Industrien schneller wirtschaftlich erfolgreich zu machen und die jeweiligen Regionen in dieser Entwicklung zu stärken. Die deutschen Projektpartner konzentrierten sich innerhalb des Projekts auf eine Demonstrationsanlage im nordrhein-westfälischen Bergheim. Hier fand erstmals der gesamte Umwandlungsprozess von CO2 zu synthetischem Kraftstoff in realem Umfeld statt. Das CO2 stammt aus dem Rauchgas eines Kohlekraftwerks, die Anlage befindet sich direkt zwischen den Kühltürmen.

Dimethylether — synthetischer Kraftstoff mit Potenzial

Der hier produzierte Dimethylether (DME) vereint unterschiedliche Grundansätze: Einer der benötigten Ausgangsstoffe für DME ist CO2 — es handelt sich also um eine Möglichkeit, CO2 zu nutzen, anstatt es in die Atmosphäre zu leiten. DME kann grundsätzlich als Dieselersatz eingesetzt werden — erdölbasierte Kraftstoffe können also eingespart werden, Fahrzeuge müssten hierfür umgerüstet werden. DME könnte auch als Speicher für Wasserstoff genutzt werden, seinen zweiten Ausgangsstoff. Auch abseits des Verkehrs- und Transportsektors bietet DME Potenzial: Um die Stromnetze bei einem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien zu stabilisieren, kann dieser Treibstoff als chemischer Langzeit-Energiespeicher eingesetzt werden. Bei dessen Herstellung wird Strom verbraucht, durch Verbrennen in Dieselgeneratoren kann wiederum Strom erzeugt werden. 

CO2-Wäsche als Grundlage für neue Demonstrationsanlage

Ein fassförmiger Speichertank auf dem Gelände der Demonstrationsanlage.
Meike Bierther - PtJ
In Speichertanks wird der produzierte synthetische Kraftstoff Dimethylether (DME) zwischengespeichert.

Die  CO2-Wäsche am Kraftwerk in Bergheim-Niederaußem ist bereits seit 2009 in Betrieb und Stand Mai 2022 mehr als 100.000 Betriebsstunden gelaufen. Für ALIGN-CCUS haben die Projektpartner ein fortschrittliches Absorptionsmittel namens CESAR1 eingesetzt, mit dem das CO2 aufgenommen wird. CESAR1 wurde innerhalb des gleichnamigen EU-Projekts CESAR , kurz für „CO2 Enhanced Separation and Recovery“, entwickelt. Gegenüber dem bisher eingesetzten Mittel Monoethanolamin hat es bessere Eigenschaften. So wird mit CESAR1 17 Prozent weniger Energie benötigt, um das CO2 abzutrennen. Zudem ist dieses Absorptionsmittel deutlich stabiler gegenüber der Oxidation durch Sauerstoff. Im Langzeitbetrieb bedeutet das einen deutlich niedrigeren Waschmittelverbrauch als bei Monoethanolamin.

Anfang April 2022 war die Anlage bereits drei Jahre mit CESAR1 in Betrieb, das ist ein Rekord für vergleichbare Anlagen im internationalen Vergleich. Die Waschmittelfüllung musste bisher nicht ausgetauscht werden.  Pro Tag hat die Anlage damit 7,2 Tonnen CO2 aus dem Rauchgas abgetrennt, die Reinheit ist mit 99,98 Prozent sehr hoch. Das abgetrennte CO2 wird direkt vor Ort in eine Kompressions- und Verflüssigungsanlage geleitet und in Tanks gespeichert. Für den weiteren Einsatz in der Demonstrationsanlage wird das flüssige CO2 in Puffertanks erwärmt und verdampft.

„Unsere CO2-Wäscheanlage läuft wie keine andere weltweit. Andere Anlagen testen Waschmittel häufig nur drei Monate. Da ist es dann schwierig Rückschlüsse zum Verhalten der Werkstoffe, zur Korrosion oder zu der langsam ablaufenden Waschmittelzersetzung zu ziehen. Um das zu untersuchen, braucht man Zeit. Aber die lohnt sich. Es wäre ja schade, wenn man viel Geld in eine neue Anlage investiert, die dann korrodiert, weil es vorher niemand richtig untersucht hat.“ Dr. Peter Moser, RWE Power

Folgeprojekte: LAUNCH und TAKE-OFF

Die hohe Stabilität des Absorptionsmittels CESAR1 ist die Grundlage dafür, dass die in ALIGN-CCUS begonnene Untersuchungskampagne in dem Folgeprojekt LAUNCH  fortgesetzt wird. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln darin ein allgemein anwendbares, schnelles und kosteneffizientes  Waschmittel-Qualifizierungsprogramm. Die Demonstrationsanlage aus ALIGN-CCUS wird außerdem für ein weiteres europäisches Vorhaben genutzt. Innerhalb des europäischen Forschungsprojekts TAKE-OFF geht es um nachhaltige Flugzeugtreibstoffe. Nachaltig produziertes DME könnte dafür direkt oder auch als Ausgangsstoff eingesetzt werden.

Effizienz von Elektrolyse und DME-Synthese gesteigert

Container mit der Aufschrift des Projekts ALIGN-CCUS hinter einem Zaun.
@Meike Bierther - PtJ
Asahi Kasei Europe hat den benötigten Elektrolyseprozess an höhere Stromdichten angepasst.

Für ALIGN-CCUS hat das Unternehmen Asahi Kasei Europe den benötigten Elektrolyseprozess optimiert. Hier wird aus Wasser der benötigte Wasserstoff erzeugt. Zugrunde liegt eine herkömmliche Chlor-Alkali-Elektrolyse, die bereits seit Jahrzehnten großtechnisch kommerziell genutzt wird. Die Elektrolyse benötigt jedoch viel Energie. Für das Projekt haben die Ingenieurinnen und Ingenieure das Verfahren so angepasst, dass die Effizienz um 10 Prozent gesteigert werden konnte. Das System kann mit einer höheren Stromdichte betrieben werden, was es erlaubt, die Elektrolyseurgröße zu verkleinern. Täglich kann der Elektrolyseur damit 22 Kilogramm Wasserstoff produzieren.

Die Syntheseanlage des DME selbst nutzt ein neuartiges einstufiges Verfahren, das die Investitions- und Betriebskosten für spätere Großanlagen verringern soll. Das Verfahren, entwickelt vom zuständigen Projektpartner Mitsubishi Hitachi Power Systems Europa, basiert auf einem neuen Katalysator, der gleichzeitig zwei Funktionen übernimmt. Er schafft es im ersten Schritt aus CO2 und Wasserstoff Methanol herzustellen, das dann direkt zum DME weiterreagiert. Dies findet alles innerhalb der Rohre eines sogenannten Rohrbündelreaktors statt, die mit dem Katalysator beschichtet sind. Bei den bisherigen Prozessen waren hierzu zwei Katalysatoren und zwei Reaktoren üblich. Außerhalb der Rohre sorgt ein Kühlmittel dafür, dass die hohen entstehenden Temperaturen das Reaktormaterial nicht beschädigen. Ausgangsstoffe, die im ersten Durchlauf nicht umgesetzt wurden sowie Nebenprodukte, etwa Methanol, werden nochmals in den Reaktor geleitet. Damit werden die Stoffe bestmöglich ausgenutzt. Durch Wärmeüberträger reduziert sich der Heiz- und Kühlaufwand zudem auf ein Minimum. Hierbei wird die Abwärme aus dem Vorwärmen der Stoffströme wiederverwendet.

Die Ziele von ALIGN-CCUS - Interview mit Dr. Peter Moser

Umgebauter Dieselmotor erreicht hohes Leistungsniveau

Als Stromerzeuger ist ein umgebauter Dieselmotor der Firma Deutz im Einsatz, ein wassergekühlter 6-Zylinder-Reihenmotor. Die Projektpartner Bosch, RWTH Aachen und FEV Europa haben diesen auf den Betrieb mit DME angepasst: Der Heizwert von DME ist deutlich geringer als der von Diesel. Beim Verbrennen von DME entsteht eine Wärmemenge von 28,4 Megajoule pro Kilogramm, während Diesel einen Wert von 42,5 Megajoule pro Kilogramm erreicht. Daher haben die Ingenieurinnen und Ingenieure die Einspritzmenge erhöht, um die gleiche Leistung zu erreichen. Nach Tests in einer Hochdruckkammer und weiteren Simulationen haben sie die Komponenten, etwa die Einspritzdüsen, entsprechend angepasst. Der Motor wird durch 500-Liter-Tanks versorgt und verbraucht rund 80 Liter DME pro Stunde. Dabei liefert er im Dauerbetrieb 225 Kilowatt elektrische Leistung, was zeitlich begrenzt auf bis zu 251 Kilowatt erhöht werden kann. Damit erreicht er dieselbe Leistung wie der ursprüngliche Motor im Dieselbetrieb.

Ökobilanz der DME-Synthese fällt gut aus

Realbetrieb als Entscheidungsgrundlage

Um den möglichen Beitrag des Verfahrens für die Energiewende abschätzen zu können, werden Daten aus dem Realbetrieb benötigt. Die ALIGN-CCUS-Demonstrationsanlage liefert mit ihren Ergebnissen somit wichtige Grundlagen für weitere Entscheidungen über das zukünftige Energie- und Rohstoffversorgungssystem, das nachhaltig und sicher, aber auch wirtschaftlich gestaltet werden soll. Mit Systemanalysen stellen die Projektpartner die einzelnen Prozessschritte in einen Zusammenhang. 

Die Elektrolyse ist nach den Ergebnissen der wichtigste Faktor, wenn es um die Wirtschaftlichkeit und die Ökobilanz des Verfahrens geht. Das Auftrennen von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff benötigt viel Energie, viel Strom. Am Ende ist das der Strom, der in Form des produzierten DME gespeichert wird. Allerdings mit Umwandlungsverlusten — der Wirkungsgrad beträgt hier rund 48 Prozent. Für die Ökobilanz des Verfahrens ist es dabei wichtig, Strom aus nachhaltigen Quellen zu nutzen. Die Projektpartner von ALIGN-CCUS nutzen dafür Windenergie. Dadurch reduziert sich das sogenannte Global-Warming-Potenzial, berechnet in CO2-Äquivalenten pro Megajoule produziertem Treibstoff, von knapp über 0,3 Kilogramm auf knapp über null.

Im Hinblick auf die Ökobilanz ist im weiteren Verlauf zu betrachten, wie DME für den Ferntransport genutzt oder wie es eingesetzt werden kann, um Spitzen im Strombedarf abzudecken. Auch hier zeigt sich, dass niedrige 0,27 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde erreichbar sind, wenn Windenergie eingesetzt wird, um das DME herzustellen. Dies ist deutlich niedriger als bei den herkömmlichen Techniken, die eingesetzt werden, um Versorgungsengpässe zu überbrücken — etwa normale Dieselaggregate oder Gasturbinen.

Treibstoff mit üblichen Tanks und Leitungen nutzbar

Neben dem Wirkungsgrad und der Ökobilanz fällt auch der praktische Einsatz des DME ins Gewicht. Bei einem geringen Druck von fünf bar lässt sich DME bei Umgebungstemperatur flüssig aufbewahren, sodass heute übliche Tanks, Leitungen und Armaturen für Autogas (LPG) mit geringen Anpassungen genutzt werden könnten. Im Vergleich muss Wasserstoff auf hohe Drücke komprimiert oder verflüssigt werden, um gespeichert oder transportiert werden zu können. Zudem speichert flüssiges DME fast zehn Mal so viel Energie pro Raumeinheit wie gasförmiger Wasserstoff bei 200 bar.

Als Dieselersatztreibstoff könnte nachhaltig produziertes DME im Verkehrssektor eingesetzt werden, direkt oder auch als Ausgangsstoff, um nachhaltige Flugzeugtreibstoffe herzustellen. Als möglicher Langzeitspeicher von regenerativ erzeugtem Strom kann DME zudem durch die schnelle Bereitstellung von Spitzenlaststrom aus stationären Stromerzeugern einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten. (mb)

In einem Schema wird dargestellt, wie nachhaltiger Flugtreibstoff entsteht.
@ RWE Power
Schema der Herstellung von nachhaltigem Flugzeugtreibstoff aus Kohlendioxid und Wasserstoff bzw. aus DME oder Methanol im Projekt TAKE-Off, das die ALIGN-CCUS-Anlage weiter nutzt.

ALIGN-CCUS

För­der­kenn­zei­chen: 0324186 A, B, D-G

Projektlaufzeit
01.07.2017 31.07.2020 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

CO2-Umwandlung, CO2-Wäsche, CO2-Nutzung

För­der­sum­me: 5,3 Millionen Euro

Kontakt

Projektleitung deutsches Teilprojekt:

Dr. Peter Moser, RWE Power AG


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