25.10.2023

Klimaschädliches Kohlendioxid aus der Umgebungsluft wird zu reinem Kohlenstoff und damit zu einem wertvollen Hightech-Rohstoff: Das entsprechende Verfahren hat ein Forschungsteam vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam mit Partnern in einer weltweit einmaligen Anlage im Forschungsprojekt NECOC umgesetzt. Ein herausragendes Forschungsprojekt befand die Gips-Schüle-Stiftung. Sie überreichte den mit 50.000 Euro dotierten Gips-Schüle-Forschungspreis 2023 an NECOC-Projektleiter Dr. Benjamin Dietrich und sein Team.

„Wir freuen uns über den Preis und insbesondere über die damit verbundene Sichtbarkeit unseres Projekts“, sagt Benjamin Dietrich anlässlich der Preisverleihung am 24. Oktober 2023 in Stuttgart. „Wir sehen täglich in den Medien die Auswirkungen des Klimawandels. Das umweltschädliche Kohlendioxid trägt im entscheidenden Maße dazu bei. Wir möchten mit unserer Forschung zur Lösung des Problems beitragen.“

Das KIT-Team hat im Forschungsprojekt NECOC (Negative Emissions through converting Carbon diOxide to Carbon) gemeinsam mit Expertinnen und Experten zweier Industrieunternehmen (Climeworks Deutschland GmbH und INERATEC GmbH) eine weltweit einmalige Versuchsanlage entwickelt. Diese produziert mit CO2 aus der Umgebungsluft Kohlenstoffpulver. Das „schwarze Gold“ wird heute in Elektrodenfolien in Batterien, in Farben, Lacken, Kunststoffen oder dem Agrarsektor verwendet, bisher aber größtenteils aus fossilen Rohstoffen, beispielsweise Erdöl, hergestellt.

So funktioniert das NECOC-Verfahren

Bei dem mehrstufigen Verfahren wird zunächst Kohlendioxid mit Hilfe eines Absorbers aus der Umgebungsluft abgetrennt. Im zweiten Schritt wird das CO2 in einem Reaktor mit erneuerbar hergestelltem Wasserstoff aus einem angeschlossenen Elektrolyseur zur Reaktion gebracht. Die Bestandteile Kohlenstoff und Sauerstoff gehen dabei neue Bindungen ein. Aus dem Kohlendioxid wird nun Methan und Wasser. Das Wasser fließt zurück in den Elektrolyseur, das Methan mit seinem Kohlenstoffbestandteil fließt weiter in einen Reaktor mit flüssigem Zinn. Dort kommt es in aufsteigenden Blasen zur Pyrolysereaktion, wobei die Methanmoleküle aufgespalten werden. Dabei entsteht Wasserstoff, der in die Methanisierung zurückgeführt wird. Übrig bleibt Kohlenstoff, der als mikrogranulares Pulver auf dem Zinn schwimmt und kontinuierlich abgetrennt wird.

Dr. Benjamin Dietrich (3. v. re.) und sein Team bei der Preisverleihung. Links Prof. Dr. Peter Frankenberg und Annette Schavan, Aufsichtsräte der Stiftung, sowie Stiftungsvorstand Dr. Stefan Hofmann.
©Gips-Schüle-Stiftung
Dr. Benjamin Dietrich (3. v. re.) und sein Team bei der Preisverleihung. Links Prof. Dr. Peter Frankenberg und Annette Schavan, Aufsichtsräte der Stiftung, sowie Stiftungsvorstand Dr. Stefan Hofmann.

Das NECOC-Forschungsprojekt ist unlängst erfolgreich abgeschlossen worden. Die Anlage wurde wie geplant entwickelt, anschließend im Containermaßstab aufgebaut und in Karlsruhe am KIT in Betrieb genommen. „Unser Ziel war es zu zeigen, dass das dreistufige Verfahren funktioniert“, erläutert Benjamin Dietrich. „Wir konnten pro Tag knapp 4 Kilogramm CO2 aus der Umgebungsluft entnehmen und in etwa 0,5 Kilogramm festen Kohlenstoff umwandeln. Im nächsten Schritt geht es nun darum, den Prozess mit Blick auf Effizienz und Durchsatz zu optimieren. Das schafft die Grundlage, um die Technologie zu skalieren.“

Kooperationspartner willkommen

Während des Testzeitraums haben die Forschenden diverse Verfahrensvarianten, etwa mit unterschiedlichen Temperaturen und verschiedenen Aufbereitungsschritten, ausprobiert. „Uns interessierten die Auswirkungen auf die Kohlenstoffqualität“, erklärt der Projektleiter. Bei den Versuchen wurden verschiedene Kohlenstoffmodifikationen festgestellt. Da die Analysen sehr aufwändig sind, waren im Rahmen des NECOC-Forschungsprojekts nur Stichproben möglich.

Benjamin Dietrich plant indes schon ein Folgeprojekt und ist offen für Kooperationspartner: Industriepartner, die den Kohlenstoff genauer analysieren und bestenfalls in ihrer Produktion testen. Auch sollen alternative, unvermeidbare industrielle CO2-Quellen betrachtet und entsprechende Partner mit eingebunden werden. (it)

Der Gips-Schüle-Forschungspreis

Der Gips-Schüle Forschungspreis 2023 wurde am 24. Oktober 2023 in Stuttgart von der Gips-Schüle-Stiftung  vergeben. Die Stiftung fördert Wissenschaft für den Menschen und junge Forschung mit Visionen in Baden-Württemberg. Ihr Fokus liegt auf den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie auf interdisziplinären Projekten. Die Stuttgarter Stiftung arbeitet eng mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg zusammen und ermöglicht die Durchführung zukunftsweisender Forschungsprojekte.

NECOC

För­der­kenn­zei­chen: 03EE5009

Projektlaufzeit
01.12.2019 30.09.2023 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

CO2-Kreislaufwirtschaft

För­der­sum­me: 1.489.562,00 Euro

Dr. Benjamin Dietrich vom KIT
©Gips-Schüle-Stiftung

Im Interview

Schädliches Kohlendioxid aus der Luft wird zu reinem Kohlenstoffpulver - und dieses "schwarze Gold" dann möglicherweise Bestandteil von Lacken oder Batterien: Im Gespräch spricht Projektleiter Dr. Benjamin Dietrich über die Herausforderungen des Necoc- Forschungsprojekts.

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