Stahlerzeugung und -verarbeitung
Die Stahlproduktion setzt sehr viel CO2 frei. Künftig könnte grüner Wasserstoff Erdgas in den Prozessen ersetzen — und so die Klimabilanz der Branche verbessern.
Die Stahlbranche zählt zu den Industriezweigen mit den meisten Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen. Sie setzt jährlich über 50 Millionen Tonnen CO2 frei und ist damit für rund sechs Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich.
Stahl – der am meisten verwendete Werkstoff der Welt
Er steckt zum Beispiel in Autos, Zügen, Schiffen, Gebäuden, Turbinen, Pumpen, Rohren, Maschinen und Werkzeugen. Nach Informationen der Wirtschaftsvereinigung Stahl werden in Deutschland jährlich rund 45 Millionen Tonnen erzeugt – überwiegend mit Kohle beziehungsweise koksbasierten Prozessen im Hochofen.
Um den hohen Anforderungen an Festigkeit, Zähigkeit, Langlebigkeit und Korrosionsbeständigkeit zu genügen, müssen bei der Herstellung mehrere Prozessschritte durchlaufen werden.
In den vergangenen Jahren ist es mit kontinuierlicher Forschung und Entwicklung gelungen, den Werkstoff Stahl energieeffizienter herzustellen und die Produktionsverfahren zu optimieren.
Stahlproduktion im Hochofen mit Kohlenstoff
Im Unterschied zu Eisen ist Stahl eine Legierung aus Metallen, in der sich hauptsächlich Eisen befindet. Um Roheisen zu gewinnen, gibt es zwei Möglichkeiten, den im Eisenerz gebundenen Sauerstoff zu entfernen beziehungsweise zu reduzieren: durch Zugabe von Kohlenstoff oder Wasserstoff.
Im Hochofenprozess wird Kohlenstoff in Form von Koks genutzt. Dieser entzieht dem Eisenerz den Sauerstoff (Reduktion), wodurch neben dem gewünschten Roheisen CO2 entsteht und freigesetzt wird.
Durch eine Vielzahl von anlagen- und prozesstechnischen Verbesserungen konnten der Koksverbrauch und damit die CO2-Emissionen in den vergangenen Jahren immer weiter gesenkt werden. In laufenden und geplanten Forschungsprojekten wird diese Entwicklung weiter fortgeführt.
Prozessgase aufbereiten und Kuppelgase energieeffizienter nutzen
Ein Beispiel für einen Forschungsschwerpunkt im Zusammenhang mit der konventionellen Stahlproduktion ist das kostengünstige Aufbereiten von Prozessgasen der Eisen- und Stahlindustrie mit geringem Energieeinsatz und geringen zusätzlichen Emissionen. WissenschaftlerInnen wollen etwa Waschlösungen, Membranen und Adsorbentien weiterentwickeln – letztere sind feste Stoffe, die bestimmte gasförmige Stoffe an ihrer Oberfläche selektiv anreichern.
Weiter bieten Kuppelgase Potenziale für eine energieeffizientere Produktion: Sie entstehen, wenn Eisenerze im Hochofen zu Roheisen reduziert werden. Zwei Drittel dieser Gase werden dem Prozess wieder zugeführt und beheizen Anlagen im Prozess. Aus den restlichen Kuppelgasen erzeugen die Unternehmen Strom in Gaskraftwerken. ForscherInnen wollen die Energieverluste mit einer effizienteren Kuppelgasnutzung minimieren. Mit modernen Hochtemperaturwerkstoffen können zum Beispiel das Nutzgut gezielt erwärmt und so Energieverluste vermieden werden.
Klimafreundliche Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff
Die Alternative zur Stahlproduktion im Hochofen ist die Direktreduktion mit Wasserstoff. Dieser wird dem Eisenerz zugegeben und es entsteht neben dem Eisenschwamm nur Wasser als Abfallprodukt. Der Eisenschwamm wird anschließend in einem Elektrolichtbogenofen geschmolzen und in die gewünschte Form gegossen.
Die Direktreduktion mit Wasserstoff ist komplex und die hierfür notwendige Anlagentechnik muss noch weiter erforscht, entwickelt und erprobt werden. Ein Technologiewechsel kann aufgrund der großen Anlagen nur schrittweise erfolgen, sodass auch die konventionelle Stahlroute weiterhin Gegenstand von Forschung und Entwicklung ist.
Der für die Direktreduktion benötigte Wasserstoff wird derzeit noch aus Methan gewonnen („grauer“ Wasserstoff). Die Forschung arbeitet daran, diesen aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen („grüner“ Wasserstoff) und einzusetzen. Bezogen auf die Prozesskette in der Stahlerzeugung ließen sich mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff bis zu 95 Prozent der CO2-Emissionen einsparen.
Thermodynamik im Ofen und Digitalisierung in der Stahlproduktion
Weitere Potenziale für eine energieeffiziente und dadurch CO2-ärmere Stahlherstellung liegen für WissenschaftlerInnen in der Kinetik und Thermodynamik im Hochofen. Sie erforschen, ob über ein noch tieferes Verständnis der Prozesse zumindest ein Teil der eingebrachten Energie eingespart werden kann, bis die Direktreduktion umfassend verfügbar ist.
Dabei kann die Digitalisierung auch in der traditionellen Stahlproduktion neue Impulse setzen: Sensorik am Hochofen und den nachgelagerten Anlagen gibt Informationen über exakte Energieverbräuche und den Materialfluss, sodass unmittelbar und optimal auf sich ändernde Bedingungen reagiert werden kann. Ziel ist, die Energieeffizienzpotenziale in der Stahlindustrie weiter auszubauen und Technologien, Methoden sowie Verfahren weiterzuentwickeln und im Markt zu implementieren.