Im Forschungsprojekt ALGE hat ein Wissenschaftsteam erstmals den alterungsbedingten Anstieg des Energieverbrauchs an real gealterten Haushaltskältegeräten bestimmt. Als wesentliche Ursache identifizierten die Forschenden die Veränderung des zur Isolation eingesetzten Polyurethan-Schaums.

Das Wichtigste in Kürze

  • Forschende haben Isolierung, Komponenten des Kältekreises und Türdichtungen von Kühlschränken sowie das Nutzungsverhalten untersucht
  • 100 Normenergieverbrauchsmessungen an 32 real gealterten Geräten — Daten aus 21 Betriebsjahren
  • Größter Effekt bei PUR-Schaum-Isolierung: Wärmeleitfähigkeit steigt in rund zweieinhalb Jahren um etwa 35 Prozent
  • Alterungsmodell zeigt Anstieg des Energieverbrauchs um 27 Prozent über eine durchschnittliche Betriebsdauer von 16 Jahren
  • Ergebnisse helfen, Energieverbrauch besser zu prognostizieren und Kühl- und Gefrierschränke effizienter zu gestalten
  • Folgeprojekt GERALT führt Forschung weiter

Kühlschränke und Gefriertruhen finden sich fast in jedem Haushalt — und sie sind rund um die Uhr in Betrieb. In Summe machen Haushaltskältegeräte deshalb einen hohen Anteil am deutschen Gesamtstromverbrauch aus: aktuell etwa fünf Prozent (siehe Umweltbundesamt: Energieverbrauch privater Haushalte und Umweltbundesamt: Stromverbrauch).  Effizientere Geräte könnten also das Stromnetz wirksam entlasten und einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher sparsame Geräte identifizieren können, gibt es unter anderem das EU-Energielabel. Die Messungen, die die Parameter dieses Labels bestimmen, werden jedoch nur im Neuzustand der Geräte durchgeführt. Doch der Energieverbrauch von Kühlschränken nimmt mit dem Alter zu.

Wie genau dieser Alterungsprozess abläuft, was die Ursachen für den Mehrverbrauch sind und wie man diesen verringern kann, wollten Forschende im Forschungsprojekt ALGE genauer wissen. Sie haben dazu den Einfluss der Isolierung, der Komponenten des Kältekreises, der Türdichtungen sowie des Nutzungsverhaltens untersucht. Zudem haben sie zwei Generationen von alterungsbeständigen Demonstratoren entwickelt.

Daten aus 21 Betriebsjahren zeigen realen Alterungsprozess

Die Herausforderung: Anders als bei den meisten technischen Systemen kann die Alterungsprüfung bei Haushaltskältegeräten nicht beschleunigt werden. Denn Kühl- und Gefrierschränke laufen auch im normalen Betrieb bereits rund um die Uhr. So mussten alle zu untersuchenden Geräte zuerst im Neuzustand in einem Labor vermessen und nach einer Laufzeit von bis zu 21 Jahren erneut geprüft werden — unter den gleichen Bedingungen wie bei der ersten Messung. Eine besondere Herausforderung im Projekt bestand darin, dass eine ausreichend große Anzahl an Geräten gefunden werden musste, die bereits in der Vergangenheit im Neuzustand untersucht worden waren.

Polyurethan-Schaum verliert mit der Zeit an Isolationswirkung

Insgesamt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 100 Normenergieverbrauchsmessungen an 32 real gealterten Geräten untersucht. Den größten Effekt stellten sie bei der Isolierung fest: Bei dem im Gehäuse verwendeten Polyurethan-Schaum, kurz: PUR-Schaum, stieg die Wärmeleitfähigkeit an vereinfachten Probekörpern über einen Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren von rund 19,5 auf 26,4 Milliwatt pro Meter und Kelvin (mW/(m⋅K)) — ein Anstieg von 35 Prozent.

Um die Alterung des Verdichters zu untersuchen, mussten die Forschenden eine geeignete Methodik entwickeln. Denn der Verdichter kann nicht komplett losgelöst von den anderen Komponenten des Kältekreislaufs, also Verdampfer, Kondensator und Kältemittel, untersucht werden, ohne das Gerät zu beschädigen.

Warum altern Kühlschränke mit PUR-Schaum?

Polyurethan-Schaum (PUR-Schaum) wird in Kühl- und Gefrierschränken als Isolationsmaterial verbaut. Das zum Aufschäumen der Zellen verwendete Kohlenstoffdioxid diffundiert nach und nach aus dem PUR-Schaum aus und wird durch Luft (Sauerstoff und Stickstoff) ersetzt. Weil Stickstoff und Sauerstoff im Vergleich zu Kohlenstoffdioxid eine höhere Wärmeleitfähigkeit haben, geht die Isolationswirkung des PUR-Schaums zurück. Dadurch wird zunehmend mehr Energie benötigt, um den Innenraum des Kühlschranks zu kühlen.

Deshalb haben die Forschenden zuvor auf einem Teststand vermessene Verdichter in die Kältegeräte eingebaut. Nach einem zweijährigen Betrieb haben sie diese Verdichter wieder ausgebaut und erneut vermessen. Hierbei konnte das ALGE-Team keine Änderung der Verdichterleistung feststellen.

Zusätzlich zu den technischen Parametern haben die Projektpartner den Einfluss des Verbraucherverhaltens auf den Energieverbrauch analysiert. Hierbei zeigte sich, dass bis zu 33 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs nach einer mehrjährigen Nutzungsdauer verbraucherinduziert sein können.

Kühl- und Gefriergeräte verbrauchen nach 16 Jahren 27 Prozent mehr Energie

Aus den erfassten Daten hat das ALGE-Team ein Alterungsmodell entwickelt, das erstmals die Energieverbrauchsmessungen von real betriebenen Haushaltskältegeräten miteinbezieht. Zuvor in der Literatur beschriebene Alterungsmodelle wurden bislang aus den Daten einzelner Systemkomponenten abgeleitet. Daher weist das entwickelte Alterungsmodell aus ALGE signifikante Unterschiede zu ihnen auf: Es zeigt einen Anstieg des Energieverbrauchs um 27 Prozent über eine durchschnittliche Betriebsdauer eines Haushaltskältegeräts von 16 Jahren. Je nach Fertigungsqualität, Bauweise, Größe und anderer Parameter weichen einzelne Geräte um 15 Prozent nach oben oder nach unten von dieser Alterungskurve ab.

Das Alterungsmodell zeigt den Anstieg des Energieverbrauchs von Haushaltskältegeräten. Die Kurve steigt in den ersten Jahren stärker und flacht dann ab.
©Universität Paderborn
Das Alterungsmodell zeigt den Anstieg des Energieverbrauchs von Haushaltskältegeräten.

Die Erkenntnisse aus ALGE sollen zukünftig dazu genutzt werden, Hersteller, Verbraucherschutzorganisationen, Normungsgremien und Gesetzgeber für Alterungsprozesse von Haushaltskältegeräten zu sensibilisieren. Außerdem lässt sich der Energieverbrauch sowohl volkswirtschaftlich als auch auf der Ebene eines einzelnen privaten Haushalts besser prognostizieren. Etwa, um herauszufinden, nach wie vielen Jahren es wirtschaftlicher wäre, ein neues Kühlgerät anzuschaffen.

Nachfolgeprojekt forscht an altersbeständiger Isolierung

Polyurethan-Schaum versus Vakuum-Isolations-Paneele

Herkömmlich mit Polyurethanschaum gedämmte Geräte können die obersten Energieeffizienzklassen nur mit einer sehr großen Schichtdicke der Isolierung und damit Wandstärke erzielen. Das verringert jedoch den Nutzraum im Inneren. Vakuumisolationspaneele (VIP) bestehen aus einem Füllmaterial, welches als Stützstruktur dient. Dieses wird mit einer gas- sowie wasserdampfdichten Kunststofffolie umhüllt und evakuiert. Das physikalische Prinzip der VIP ähnelt dem einer Thermoskanne: Je weniger Luftmoleküle im Vakuum vorhanden sind, desto weniger Wärme wird durch Konvektion oder Wärmeleitung übertragen. VIP sind in der Herstellung teurer, dafür steht im Kühlgerät mehr Nutzraum zur Verfügung und Stromverbrauch und -kosten sinken. Auch heute schon auf dem Markt verfügbare Geräte mit VIP durchlaufen einen Alterungsprozess. Die Untersuchung und Verringerung dieses Alterungsprozess stellt ein Ziel im Verbundprojekt GERALT dar.

Im Forschungsprojekt ALGE hat das Projektteam primär konventionelle Haushaltskältegeräte mit einem PUR-Schaum-isolierten Gehäuse untersucht. Nächstes Ziel ist eine neue Generation hoch energieeffizienter, besser isolierter und alterungsbeständiger Geräte. Diese können etwa auf der Basis von Vakuumisolationspaneelen (VIP) entwickelt werden. Im Nachfolgeprojekt GERALT untersuchen Forschende Geräte mit einem größeren Anteil an VIP-Isolierung.

Dafür setzen sie auch die in ALGE entwickelten Demonstratoren ein. Das Alterungsverhalten des PUR-Schaums soll zudem weiter erforscht und die ermittelte Alterungsfunktion mit zusätzlichen Messpunkten aktualisiert werden. Die Erkenntnisse werden dazu beitragen, dass der Stromverbrauch für Kühlgeräte in Haushalten künftig weiter zurückgehen wird. (ks)

Verbundvorhaben ALGE: Alterungsmechanismen von Haushaltskältegeräten

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1544 A-E

Projektlaufzeit
01.01.2018 30.06.2021 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Energiesparende Industrieverfahren — Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik, EBM-Waren

För­der­sum­me: rund 685.000 Euro

Kontakt

Projektkoordination

Universität Paderborn
Lehrstuhl für Technische Thermodynamik
Warburger Str. 100
33098 Paderborn
E-Mail: andreas.paul@uni-paderborn.de

weitere Projektpartner

Universität Bonn
Institut für Landtechnik
Nussallee 5
53115 Bonn

BSH Hausgeräte GmbH
Robert-Bosch-Str. 100
89537 Giengen

BASF Polyurethanes GmbH
Elastogranstr. 60
49448 Lemförde

Secop GmbH (ehemals NIDEC Global Appliance Germany GmbH)
Mads-Clausen-Straße 7
24939 Flensburg

Newsletter

Nichts mehr verpassen

©nightman1965/iStock/thinkstock
News WissenschaftlerInnen untersuchen mit einem Messgerät einen Kühlschrank
©Technische Universität Berlin

Altersbeständige Isolierung für Haushaltskältegeräte
Wie Kühl- und Gefrierschränke auch nach mehreren Betriebsjahren energieeffizient bleiben

Forschende entwickeln neue Isolationsmaterialen von Haushaltskältegeräten und wollen sie damit altersbeständiger und energieeffizienter machen.

 

mehr
Eine Wärmepumpe steht vor einem Gebäude
©Hermann - stock.adobe.com

Wärme- und Kältetechnologien

Für Prozesse in der Industrie braucht es Wärme und Kälte. Innovative Wärme-​ oder Kältetechnologien können diese energieeffizient bereitstellen. Dazu zählen etwa Wärmepumpen und Sorptionskältemaschinen.

zum Forschungsthema