22.02.2024

Forschende haben den Wärmeverbrauch von 797 Unternehmen in Deutschland untersucht. Mit den Erkenntnissen wird es für Firmen in Zukunft leichter, die Wärmeversorgung mit fluktuierenden Erzeugern wie Solarthermie sowie mit Wärmepumpen zu planen.

Den Schwerpunkt hat das Wissenschaftsteam auf Großverbraucher aus Industrie und Gewerbe, Handel und Dienstleistung gesetzt. Dies sind Unternehmen, die nicht unbedingt zur „energieintensiven Industrie“ zählen, aber mehr als 1,5 und maximal rund 1000 Gigawattstunden Gas pro Jahr einsetzen (GWh/a), um Produktionsprozesse und Heizungen mit Wärme zu versorgen. Ein Großteil der untersuchten Verbraucher sind kleine bis mittlere Unternehmen (1,5 bis 10 GWh/a), etwa ein Kunststoff-Spritzgussunternehmen mit rund 500 Angestellten, eine Bäckerei mit rund 250 Angestellten oder ein Galvanikunternehmen mit rund 100 Angestellten. Die untersuchten Daten stammen aus den Jahren 2016 bis 2018.

Die Studie wurde im Projekt AnanaS durchgeführt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. „Mit unseren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass die meisten Industrieunternehmen ein Wärmelastprofil haben, das eine deutliche Korrelation mit der Außentemperatur aufweist“, so Mateo Jesper, Mitarbeiter des an der Universität Kassel angesiedelten Vorhabens. Wie bei Wohngebäuden steigt also auch in den Unternehmen der Wärmebedarf, wenn draußen die Temperaturen sinken. Der Grund: Viele Großverbraucher, etwa aus der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau, benötigen hauptsächlich Raumwärme und nur wenig Prozesswärme. Der Wärmebedarf sinkt bis zu einer Außentemperatur von etwa 15 Grad Celsius (Heizgrenztemperatur). Darüber bleibt der Wärmebedarf in der Regel konstant. Jesper: „Nur etwa ein Drittel der Industrieunternehmen hat einen von der Außentemperatur unabhängigen Wärmebedarf, der an Werktagen über das Jahr nahezu konstant ist.“ Diese verursachen rund 27 Prozent des Gesamtverbrauchs. 73 Prozent des Verbrauchs wird durch Unternehmen mit einem saisonalen Lastprofil verursacht.

Der jetzt vorliegende Branchenüberblick der Lastprofile bietet Expertinnen und Experten einen hilfreichen Fundus. Denn aus dem Verlauf des Wärmebedarfs über das Jahr können sie ableiten, ob ein bestimmter regenerativer Wärmeerzeuger technisch und wirtschaftlich sinnvoll in einem Unternehmen eingesetzt werden kann. Bei 82 der insgesamt 797 Verbrauchern haben die Forschenden zusätzlich zum Gaslastprofil das Stromlastprofile in die Datenbank eingespeist, um den zeitlichen Zusammenhang von Strom- und Wärmebedarf zu untersuchen. Die meisten Profile gibt es aus der Metallwaren-, Maschinenbau- und Automobilindustrie sowie dem Bildungs- und Gesundheitswesen.

Solare Prozesswärmeanlage
© Universität Kassel, Fachgebiet Solar- und Anlagentechnik
Solare Prozesswärmeanlage

Erkenntnisse ermöglichen präzisere Auslegung

Den Energiebedarf für Prozesse in Unternehmen mit erneuerbarer Energie oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu decken, wird jetzt planbarer und dadurch effizienter. Denn die vorliegenden Lastprofile zeigen, wann im Jahresverlauf Spitzen oder auch Senken beim Energieverbrauch zu erwarten sind. Entsprechend können Fachplaner oder Energiemanager ihre Anlagen passgenauer dimensionieren. Dies gilt etwa für thermische Speicher oder Spitzenlastkessel, die anspringen, wenn der Wärmebedarf das Angebot der fluktuierenden Wärmequellen übersteigt. „Hier ist es wichtig, eine deutliche Überdimensionierung zu vermeiden. Denn dies führt zu unnötigen Kosten und verringert beispielsweise durch häufigeres Takten die Standfestigkeit der Anlage“, so Jesper.

Wie Unternehmen eigene Lastprofile erstellen können

Die Ergebnisse aus dem Vorhaben AnanaS haben die Projektpartner im Rahmen der IEA SHC Task 64  in einen Leitfaden und ein Tool überführt. Akteure aus der Praxis können damit branchentypische Wärmelastprofile für einen speziellen Standort erstellen, wenn sie unter anderem ein Profil der Außentemperatur eingeben. Das Tool richtet sich etwa an Fachplaner oder Energiemanager und unterstützt diese bei der Durchführung von Machbarkeitsabschätzungen und Vorplanungen von Wärmeversorgungsystemen. Zusätzlich fließen die Ergebnisse aus AnanaS derzeit in die VDI-Norm 4190 ein.

Info zur Förderung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat das Vorhaben AnanaS im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung mit rund 802.000 Euro gefördert. Weitere Informationen zur BMWK-Förderung in der angewandten Energieforschung liefert die Webseite energieforschung.de (bs)

Kontakt

Universität Kassel — Institut für Thermische Energietechnik
Ansprechpartner:

Webseite

Weiterführende Links

Tool der IEA SHC Task 64 "Solar Process Heat"

Leitfaden "Reference applications for renewable heat"

Informationsseite zu klimaneutraler Wärme und Kälte in der Industrie auf industrie-energieforschung.de

Den Original-Beitrag zu AnanaS sowie weitere Informationen zum Thema klimaneutrale Wärme und Kälte im Gebäude- und Quartiersbereich finden Sie zudem auf dem Fachportal energiewendebauen.de

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