Supraleiter sind rund dreimal so teuer wie herkömmliche Kupfer-Kabel. Hinzu kommen die Kosten für die Kühlung. Jetzt braucht es Anreize für die Anwender, um diese ressourcen-, energie- und materialeffizientere Technologie auch einzusetzen, meint Wolfgang Reiser von Vision Electric Supra Conducters (VESC).

Porträtbild Wolfgang Reiser - Geschäftsführer von Vision Electric Supra Conducters
©Projektträger Jülich/Annika Zeitler
Wolfgang Reiser ist Geschäftsführer von Vision Electric Supra Conducters.

Wolfgang Reiser ist Geschäftsführer der Vision Electric Supra Conducters (VESC). Das Unternehmen baut Hochstromschienen für die energieintensiven Industrien. Weiter ist er Vorsitzender des Interessenverbandes Supraleitung. Der ivSupra engagiert sich dafür, Supraleiter im politischen Raum, in Industrie und Energiewirtschaft sowie in Medien und Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Herr Reiser, mit ihrem Unternehmen waren Sie am Forschungsprojekt 3S-SupraStromSchiene beteiligt. Was waren die wesentlichen Ergebnisse?

Mit dem Forschungsprojekt 3S-SupraStromSchiene haben wir gezeigt, dass eine supraleitende Stromschiene mit 20 Kiloampere (kA) für den Einsatz in der Industrie bereit ist. In Industriehallen und -gebäuden ist es oftmals sehr eng. Deshalb haben wir die supraleitende Stromschiene in einzelne Module unterteilt und diese dann vor Ort unterschiedlich miteinander kombiniert. So konnte die Stromschiene, trotz sehr enger Winkel und Ecken, gut verbaut werden. Das Besondere: Wir haben nicht nur das reine Produkt entwickelt, sondern auch die Anwender aus der Praxis in das Projekt einbezogen, um konkrete Anforderungen an die Anlage sowie die Faktoren Sicherheit und Risikobewertung zu berücksichtigen.

Was braucht es aus ihrer Sicht, damit Supraleiter in die Anwendung kommen können?

Der Weg in die Praxis ist kein technisches, sondern ein wirtschaftliches Problem. Supraleiterstromschienen sind durch den sehr großen Anteil der Supraleiter in ihren Selbstkosten noch zu teuer. Der Supraleiter hat Kosten pro Stromtragfähigkeit, die nur in Bezug auf die Leiter ungefähr beim Faktor zwei bis drei gegenüber Kupfer liegen und beim Faktor drei bis vier gegenüber Aluminium. Dazu kommen noch die Kosten für die Kältetechnik. Das führt dazu, dass wir insgesamt einen Selbstkostenfaktor zwischen zwei und fünf haben. Und das bedeutet, dass wir bezüglich der Investitionskosten benachteiligt sind gegenüber konventionellen Systemen.

Was braucht es, damit Supraleiter wirtschaftlich im Vorteil sind?

Supraleiter haben über ihre Lebensdauer viel bessere wirtschaftliche Faktoren als konventionelle Systeme. Betriebswirtschaftlich rechnen wir etwa zwischen acht und zwölf Jahren Amortisationszeit, um Investitionskosten zurückzuführen. Diese Zeitspanne wird aber von Industrieunternehmen nicht als Anreiz akzeptiert. Das bedeutet, es müssen Anreize geschaffen werden, sodass Anwender bereit sind auf ein ressourcen-, energie- und materialeffizienteres System zu setzen, das im Laufe der Zeit seine Vorteile ausspielt. Denn die Gesamtkosten sind bei einem supraleitenden System für die Industrie immer günstiger als ein konventionelles System, wenn man über die Lebensdauer von circa 40 bis 50 Jahren rechnet.

Welche Art von Anreizen müssten geschaffen werden, um die Supraleiter in die Anwendung zu bekommen?

Anreize können sehr vielfältig sein. Denken Sie nur mal daran, wie die LED-Technologie eingeführt wurde. Da gab es einfach ein Gesetz, das nichts Anderes mehr akzeptierte. Man könnte Anreize in Form von Unterstützung schaffen, wenn energieintensive Industrien zum Beispiel eine Supraleitung einsetzen und Energie einsparen. Es geht nicht darum, die Entwicklung der Technologie zu fördern. Das haben wir bereits gemacht. Jetzt geht es darum, die Anwendung nachhaltig zu fördern. Und dazu gehören dann nicht nur die Hersteller der Supraleitungstechnologie, sondern auch die Anwender. Und es braucht hier mehrere Projekte, wir werden nicht mit ein oder zwei großen Projekten das Henne-Ei-Problem lösen, das existiert.

Videointerview: Um HTSL in der Praxis anzuwenden, müssen wir Anreize für Anwender schaffen

Solche Anreize gibt es aktuell nicht. Kann Deutschland dennoch wettbewerbsfähig bei den Supraleitern bleiben?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn man die Zukunft sieht, weiß man nicht, wo sich das Ganze hinbewegt. Die Trimet in Hamburg hat als Aluminiumhersteller etwa von der Suprastromschiene wieder Abstand genommen, denn die Amortisationszeit der Technologie ist mit zwölf Jahren zu lang. Das ist eine wirtschaftliche Entscheidung, dann in andere Projekte zu investieren, bei denen das Unternehmen mit Rückführungszeiten von etwa vier bis sechs Jahren rechnen kann. Wenn wir mit der supraleitenden Stromschiene auf sechs Jahre Amortisationszeit kämen, wäre das überhaupt kein Thema. Dort sind wir aber nicht.

International stellen wir fest, dass Aktivitäten in den USA nach unten gefahren werden, gleichzeitig aber im Supraleiter-Bereich woanders nach oben. In Asien werden Supraleiter-Kabel verlegt und vermehrt Aktivitäten unternommen, die Technologie in die Wirtschaft zu bringen. Das müsste in Deutschland auch folgen, ansonsten werden Supraleiter in fünf Jahren hier weg sein und dann werden alle, die sich damit beschäftigt haben, entweder insolvent sein oder nach Asien verkauft haben.

Könnte die Hochtemperatursupraleitung (HTSL) die Energiewende antreiben?

Wir können mit Hochtemperatursupraleitern sehr klein und kompakt bauen und haben mit dieser Technologie eine unheimlich große Energie- und Leistungsdichte. Strom, der heute über eine Freileitung übertragen wird, kann mit HTSL in einem 300 bis 400 Millimeter großen Rohr in der Erde verlegt werden. Für die rund 700 Kilometer geplante Stromtrasse von Nord nach Süddeutschland müssen für ein Spannungsniveau von 525 Kilovolt (kV) vier Kabel parallel in einem Abstand zwischen einem und zwei Metern verlegt werden. Das macht eine Gesamtbreite von rund zehn Metern in zwei Metern Tiefe. Das ist ein enormer Aufwand. Mit Supraleitern kämen wir auf eine Trassenbreite von ungefähr einem Meter, mehr bräuchten wir nicht, und dann hätten wir dieselbe Leistung in Supraleitern verlegt.

Was sind aus ihrer Sicht die bestehenden Herausforderungen für die nächsten Jahre für Forschung und Entwicklung?

Die größte Herausforderung ist, die wirtschaftlichen Fälle zu finden, die tatsächlich auch durchgeführt werden. Und zwar nicht diese einmaligen Leuchtturmprojekte, die eine Spitze darstellen und dazwischen ist dann wieder Ruhe, sondern es geht darum, dass wir kontinuierliche Fälle aufbauen. Das heißt, nicht ein Supraleiter-Kabel, sondern die nächsten zehn. Das ist entscheidend. Dann werden sich auch die Kosten für Supraleiter nach unten bewegen. Dann wird auch eine gewisse Routine entstehen und die Technologie wird in der Gesellschaft akzeptiert, sodass sie eingesetzt werden kann.

Das Interview führte Annika Zeitler, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, auf der ZIEHL 2020.

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För­der­kenn­zei­chen: 03ET1294A-C

Projektlaufzeit
01.05.2015 31.10.2018 Heute ab­ge­schlos­sen

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