Hochtemperatursupraleiter müssen verfügbar, kostengünstig und skalierbar sein. Michael Bäcker von MaTech-Consult erklärt im Interview, wie und warum sie im Vergleich zu Kupfer-Kabeln anders eingepreist werden müssten und wie Anreize bei den Anwendern die Supraleiter-Technologie weiter nach vorne treiben könnten.

Porträtbild Michael Bäcker von MaTech-Consult
©Projektträger Jülich/Annika Zeitler
Michael Bäcker ist Geschäftsführer der MaTech-Consult und Vorstand im Interessenverband ivSupra

Michael Bäcker ist Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg im Fachbereich angewandte Naturwissenschaften und Geschäftsführer der MaTech-Consult . Das Unternehmen berät Firmen und Investoren bei der Produkt- und Prozessentwicklung mit dem Schwerpunkt Materialien für die Energietechnik und effiziente Beschichtungstechnologien. Weiter ist Bäcker Mitglied und Vorstand im Interessenverband Supraleitung. Der ivSupra engagiert sich dafür, Supraleiter im politischen Raum, in der Energiewirtschaft und Öffentlichkeit bekannter zu machen.

Herr Bäcker, was braucht es noch, damit die HTSL-Technologie in die Anwendung kommt?

Wenn man Innovationen für die Energietechnik in die Anwendung bringen möchte, braucht man eigentlich drei Komponenten: Das erste ist die Zeit. Die Technologien und Materialien müssen verfügbar sein. Denn nur Innovationen, die heute schon im Prototypenstadium vorhanden sind, sind überhaupt relevant für die Klimaschutzziele in den nächsten zehn bis 20 Jahren. Das zweite ist: Die Technologie muss im richtigen Energie- beziehungsweise Megawattbereich anwendbar sein. Und da sind Supraleiter wirklich sehr gut. Das Supraleiterkabel in Essen wird mit einer Leistung von 40 Megavoltampere (MVA) getestet. Aber wenn wir einen nennenswerten Beitrag mit Supraleitern zur Energiewende leisten wollen, dann müssen wir schnell große Mengen dieser Technologie in den Energiemarkt bringen. Dafür muss - und das ist die dritte Komponente - die Technologie jedoch kostengünstig, verfügbar und skalierbar sein.

Hochtemperatursupraleiter

Supraleiterkabel
THEVA Dünnschichttechnik GmbH

Hochtemperatursupraleiter (HTSL) sind unterhalb der sogenannten Sprungtemperatur leitfähig  – ihr elektrischer Widerstand sinkt auf Null. Supraleiter können elektrischen Strom ohne jeden Widerstand und damit völlig verlustfrei transportieren. Allerdings müssen die Materialien dafür auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt werden. Im Energiesektor zeigen sie vor allem im Bereich der Hochspannungsenergieübertragung viel Potenzial. Weiter könnten Supraleiter künftig flächendeckend in Transformatoren, Generatoren sowie Elektromotoren verarbeitet werden und deren Wirkungsgrad deutlich steigern.

zum Forschungsthema

Welche Änderungen müsste es geben, damit die HTSL-Technologie in den Markt kommt?

Für die Supraleiter sind die Verfügbarkeit und schnelle Marktdurchdringung das große Problem. Aus Sicht des ivSupra kann man daraus folgende Forderung ableiten, um den Beitrag der Supraleiter für die Energiewende zu erhöhen: Kosten für Stromkabel müssten etwa anders berechnet werden. Heute bestimmt der Kupferpreis und das Verlegen der Kabel den Preis. Was nicht eingepreist wird, ist die Akzeptanz der Bevölkerung und daraus resultierende Verzögerungen beim Streckenbau, zum Beispiel durch Klagen. An diesen Stellen kommt die Energiewende ins Stocken und geht nicht weiter. Supraleiter bieten hier die Möglichkeit, schneller zu werden. Denn sie brauchen weniger Platz als Kupferkabel und haben niedrigere elektrische und thermische Emissionen. Das muss aus unserer Sicht eingepreist werden. Über diese Faktoren gewinnen die Supraleiter, obwohl sie an sich teurer sind.

Gibt es Lösungsansätze, um die HTSL-Technologie günstiger zu machen?

Wir müssen mit der Technologie in die Massenfertigung kommen. Das ist aber im Moment fast nicht möglich, weil wir nur in sehr großen Abständen Förderprojekte haben. Wir haben also eine Produktionsphase und dann eine sehr lange Evaluierungsphase, in der Material- und Systemhersteller praktisch keine Arbeit haben. Wir brauchen eine Verstetigung der Förderung und der Förderprojekte mit einer schnelleren Abfolge. Zudem: Schaut man sich erfolgreiche Projekte der Energiewende an, wurde der Anwender oft massiv gefördert, wie etwa im Bereich der Windkraft oder der Elektromobilität – hier gibt es beispielsweise eine Kaufprämie. Und das fehlt bei allen Effizienztechnologien in der Energietechnik. Hier müsste angesetzt werden, die Supraleitung beziehungsweise alle Effizienztechnologien in ihrer Anwendung zu fördern.

Supraleiter: Anreize können die Technologie vorantreiben

Welche Rolle spielen die Anwender, wenn es darum geht, mit der HTSL-Technologie für die Energiewende einen wichtigen Beitrag zu leisten?

Für eine erfolgreiche Implementierung der HTSL-Technologie müssen Anreize für die Anwender geschaffen werden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass man Verluste in den Netzen höher bepreist oder die Akzeptanz in der Bevölkerung in die Kalkulation einbezieht. Gegebenenfalls sind auch Risikoübernahmen neuer Technologien ein Anreiz, um so etwa das Risiko der Anwender und Netzbetreiber zu reduzieren. Über solche Anreize für die Nutzer kann die Politik helfen, die HTSL-Technologie in die Praxis zu bringen.

Wie ist Ihre Prognose für die Supraleiter in den nächsten fünf Jahren?

Wir werden sicherlich Weiterentwicklungen in der HTSL-Technologie sehen, etwa bei den Materialien und auch bei den Kältemaschinen, den sogenannten Kryostaten. Wir werden auch neue und größere Demonstratoren sehen. Aber ich denke, ohne eine Änderung der Anreize bei den Anwendern werden wir in den nächsten fünf Jahren keine breite Anwendung sehen. Einfach, weil es für die Anwender aktuell keine Anreize gibt. Es gibt für sie keinen Vorteil mit den Supraleitern in diesem sehr stark regulierten Energiemarkt.

Das Interview führte Annika Zeitler, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich, auf der ZIEHL 2020

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