CO2-Kreislaufwirtschaft
Mit Ameisensäure den Kohlenstoffkreislauf schließen
CO2-Kreislaufwirtschaft
Mit Ameisensäure den Kohlenstoffkreislauf schließen
Weltweit werden derzeit etwa eine Million Tonnen Ameisensäure produziert. Die chemische Grundsubstanz ist unter anderem in Lebensmitteln, Parfüms oder Deodorants enthalten. Bisher wird sie vorwiegend aus Erdgas gewonnen, was mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist. Elektrochemische Verfahren nutzen statt der fossilen Quelle das klimaschädliche Kohlendioxid als Ausgangsstoff. Bei diesem Herstellungsprozess wird also CO2 gebunden, anstatt in die Atmosphäre abgegeben.
Was attraktiv klingt, hat einen Haken: Das Verfahren ist noch nicht wirtschaftlich. Dies möchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsprojekt AAcid ändern. Die sechs Projektpartner aus Hochschule, Forschungseinrichtung und Industrie planen, einen Gesamtprozess zur Produktion einer marktfähigen Ameisensäure aufzubauen. „Ameisensäure ist ein hochwertiges Produkt mit einem entsprechenden Marktpreis. Daher ist es aus unserer Sicht eine realistische Option, diese nach erfolgten Optimierungsschritten in einem elektrochemischen Verfahren aus CO2 im großen Maßstab zu produzieren und zu vermarkten“, erläutert Projektleiter Kevin Seibert von der in Bad Homburg ansässigen Firma Plinke .
Gesamte Prozesskette wird abgebildet
Viele Forschungsprojekte betrachten allerdings nur einzelne Prozessschritte. In vorangegangen Forschungsprojekten wurde am Institut für Technische Chemie der Universität Stuttgart die zugrundeliegende elektrochemische Synthese entwickelt und erheblich verbessert. In AAcid wird nun die gesamte Prozesskette abgebildet und eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt.
Das angewandte Verfahren ist zweistufig. Zunächst findet eine Elektrolyse statt. „Hierbei wird Ameisensäure mit Hilfe von Elektrizität aus CO2 gewonnen, allerdings in einer sehr verdünnten, wässrigen Lösung, die außerdem noch Begleitstoffe wie Leitsalze enthält“, erklärt Seibert. Die Salze sind in der Elektrolyse notwendig, um die Leitfähigkeit im Wasser herzustellen. Diese finden sich anschließend in derselben Produktlösung wie die Ameisensäure, sodass sie im zweiten Schritt in einem elektrochemischen Verfahren abgetrennt werden müssen.
Im Forschungsfokus: die Elektrolyte, Membranen und Katalysatoren
Im Forschungsprojekt bearbeiten die Expertinnen und Experten mehrere Arbeitspakete. In einem Paket werden Elektrolyte, Membranen und Katalysatoren für die CO2-Elektrolyse optimiert. Denn mit Blick auf die Markteinführung zählen die bisher im Herstellungsprozess verwendeten Katalysatoren und Membranen zu den sogenannten „Umsetzungshürden“.
Die marktgängigen Katalysatoren bestehen vor allem aus Zinnoxid. Im Forschungsprojekt werden beständigere, das heißt robustere Katalysatormaterialien gesucht. Hierbei sind die Projektpartner auf einem guten Weg. „Die Verbesserung des Katalysatormaterials aus Bismutoxid lief gut. Das Material konnte in die Gasdiffusionselektrode eingebracht werden und für die neu entwickelten Ionen-Austauschmembranen wurden Polymerketten designt, die die gewünschten Durchlässigkeits-Eigenschaften aufweisen“, berichtet Seibert.
Ziel: Ameisensäure soll einen Gewichtsanteil von 85 Prozent haben
Um den Gewichtsanteil der Ameisensäure in der Flüssigkeit auf 85 Prozent zu erhöhen, werden in einem weiteren Arbeitspaket die Membranmaterialien angepasst, die Elektrodialysezellen weiterentwickelt und unterschiedliche energiesparende Verfahren unter die Lupe genommen. So sollen ein Konzept zum Aufreinigen der Flüssigkeit und eine Kosten-Nutzen-Analyse, die Kennzahlen für diesen Prozessschritt ermittelt, erarbeitet werden.
Die gewonnenen Erkenntnisse dienen im besten Fall als Basis für ein angedachtes Anschlussprojekt. Sollte der Gesamtprozess im Labor mit den gewünschten Parametern funktionieren, ließe sich mit Partnern oder möglichen Kunden eine Pilotanlage zur Ameisensäureproduktion mit 85-prozentigem Gewichtsanteil aufbauen, so Seibert. Seinen Namen erhielt die farblose und in Wasser lösliche Flüssigkeit übrigens vom britischen Naturforscher John Ray, der sie 1671 erstmals aus roten Ameisen isoliert hat. (it)