Energieeffizienz in der Glasindustrie
Optische Gläser flexibel schmelzen und Energie einsparen
Glas soll gleichmäßig, durchgehend transparent und frei von Defekten sowie Schlieren sein. Bei optischen Gläsern wie etwa Brillengläsern, Mikroskop- und Kameralinsen ist zudem ein exakter Brechwert besonders wichtig. Neue Markttrends, erhöhte Entwicklungsgeschwindigkeiten sowie spezielle Anforderungen und Wünsche an optische Gläser führen teilweise zu immer kleineren Produktionsmengen von unter fünf Tonnen. Das stellt die Hersteller vor Herausforderungen, denn ihre Schmelzanlagen sind in der Regel für Losgrößen von zehn bis 30 Tonnen ausgelegt.

Solche kleineren Tonnagen machen den Prozess aber unproduktiv: Die Schmelzanlagen müssen umgebaut oder repariert werden. Das kostet Zeit sowie Ressourcen. Im Forschungsprojekt FLO – FLexibles Schmelzen Optischer Gläser – haben WissenschaftlerInnen des Glasherstellers SCHOTT aus Mainz erforscht, wie verschiedene Glastypen in flexibler Reihenfolge in kleinen Losgrößen mit entsprechender Qualität produziert und energetisch optimiert werden können.
Bei der Glasherstellung ist höchste Präzision erforderlich
Die Herstellung von Gläsern ist ein sehr komplexer und zugleich energieintensiver Hochtemperaturprozess, der von verschiedenen Einflussparametern abhängt. So unterliegt die Qualität eines Glases nicht nur den verwendeten Rohstoffen, sondern immer auch dem Schmelzprozess. Da optische Gläser spezielle Anforderungen und daher exakte Werte erfüllen müssen, muss ihr Produktionsprozess sehr präzise gesteuert werden.
Was die Produktion von Gläsern so komplex macht
Viele Produktionsparameter beeinflussen die Qualität von Gläsern. So hängt die Qualität etwa davon ab, wie lange die Schmelze in der Schmelzwanne verweilt und in welchem Zustand die Schmelzwanne ist beziehungsweise wie sich diese während des Schmelzprozesses verhält. Hier ist insbesondere die Wannenkorrosion ein wichtiges Thema. Aber auch, wie gut die Schmelze durchmischt ist und wie diese in der Läuterkammer beispielsweise von Blasen befreit wird, spielt eine Rolle. Die große Menge an einflussgebenden Parametern machen den Herstellungsprozess komplex und daher anfällig für einen hohen Ressourcen- und Energieverbrauch. Die energieintensivsten Schritte bei der Glasherstellung sind daher das Einschmelzen der Rohstoffe und die anschließende Läuterphase.
Dank Simulation und Kamerasystem zum effizienteren Einschmelzprozess
Anhand von Prozess- und Schmelzwannensimulationen, die auf langjährigen Produktionsdaten basieren, konnte das Wissenschaftlerteam die Produktionsparameter beim Einschmelzen verbessern und entsprechend einstellen. Je nach Kunden- und Produktspezifikation muss der Brechwert des Glases auf mehrere Nachkommastellen exakt eingestellt werden, der aber erst am erkalteten Glas überprüft werden kann. Bei Abweichungen muss die Produktion rückwirkend mit einer Zeitverzögerung von mehreren Stunden angepasst werden - eine zeitintensive sowie ressourcenineffiziente Vorgehensweise. Durch einen nun vorgeschalteten sogenannten Brechwertkalkulator lässt sich der Brechwertverlauf schon beim Einschmelzen präziser steuern. Das verkürzt die Produktionszeiten entscheidend. Die Versuche zeigten, dass für einzelne Gläser Energieeinsparungen von bis zu 24 Prozent erreichbar wären.
Weiter haben die WissenschaftlerInnen im Forschungsprojekt FLO eine Methode entwickelt, um Schwankungen im Glasdurchsatz sowie Defekte beispielsweise Lufteinschlüsse mithilfe von Kamerasystemen frühzeitig zu erkennen. Dies trägt bedeutend zur Qualitätssicherung in der Herstellung optischer Gläser bei. Durch eine frühzeitige Reaktion auf Durchsatzschwankungen kommt es seltener zu Fehlproduktionen und Prozessstillständen. Die Methode hätte das Potenzial, etwa drei Prozent an Rohstoffen einzusparen und den Energieeinsatz zu reduzieren.
Die Wannenkorrosion bei optischen Gläsern
Bei der Glasherstellung wird eine Mischung aus Quarzsand (SiO2), Soda, Pottasche, Kalk und teilweise Altglas unter extrem hohen Temperaturen aufgeschmolzen. Dabei laufen eine Reihe chemischer Prozesse ab. Die dazu verwendete Schmelzwanne muss diesen Anforderungen standhalten. Das bedeutet: Sie soll sich möglichst nicht zersetzen (korrodieren) und die Schmelze nicht verunreinigen. Da optische Gläser sehr spezifische Glaseigenschaften benötigen, wird eine Schmelzwanne aus SiO2-Keramik verwendet. Zwar korrodiert die Wanne im Laufe mehrerer Schmelzprozesse und gibt SiO2 in die Schmelze ab, jedoch verunreinigt sie die Schmelze damit nicht. Um die spezifischen Eigenschaften von optischen Gläsern zu gewährleisten, ist es allerdings wichtig, diese SiO2-Abgabe von der Wanne in die Schmelze bereits im Vorfeld bei der Rohstoffzusammensetzung zu berücksichtigen.
Standardisierte Bauteile für Glasschmelzanlagen
In Bezug auf die Anlagentechnologie hat das Forschungsprojekt FLO gezeigt, dass die Glaszusammensetzung und die Häufigkeit der Glaswechsel weiterhin entscheidende Kriterien sind. Nach wie vor müssen Produktionsanlagen entsprechend der Glasart und Produktionsmenge angepasst und umgebaut werden. Die WissenschaftlerInnen konnten Teile der Schmelzanlage standardisieren und damit den Produktionsprozess weiter optimieren. Einige Prozessbauteile sind nun auch universell bei unterschiedlichen Glasarten und -mengen einsetzbar, wie etwa ein Transportrohr das die Schmelze von der Schmelzwanne in die Läuterkammer transportiert. Lange Prozessstillstände und der Zeitaufwand bei nötigen Umbauten werden damit reduziert.
Die im Forschungsprojekt FLO entwickelten Methoden und Maßnahmen sollen zukünftig helfen, Qualitätsparameter produktionsnaher und flexibler einzustellen und Qualitätsdefizite frühzeitiger zu erkennen. Durch den optimierten Herstellungsprozess können optische Gläser dann deutlich energie- und ressourceneffizienter produziert werden. (ln)